Endlichkeit – Unendlichkeit II

Kunstpavillion der Stadt Soest

Innenraumprojekt

Plan

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Soest Seite 3

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INFINITUS

Ausseninstallation im Theodor Heuss Park

Skulptur und Bodenobjekt

Soest Seite 9 Soest Seite 10 Soest Seite 11

Endlichkeit – Unendlichkeit

Die Ausstellung der Bildenden Künstlerin Ursula – Lisa Deventer zeugt von einer intensiven gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex

„ Endlichkeit- Unendlichkeit “,  die auch schon etwa in Arnsberg und Münster in Ausstellungsprojekte eingeflossen ist und nunmehr hier in Soest ihre Fortsetzung nimmt.

Das was wir hier sehen, vielleicht begreifen oder erfahren, ist zu verstehen als eine weitere Entwicklungsstufe in dem Versuch, mit den Mitteln der Kunst physikalisch – mathematische Gesetzmäßigkeiten bzw. Modelle sinnlich erfahrbar zu machen.

Nachdem die Künstlerin in früheren Arbeiten etwa mit mathematischen Symbolen, z.b. dem Zeichen für Unendlichkeit (liegende Acht), operierte, scheint nun hier die Auseinandersetzung mit der Kugel in den Vordergrund gerückt zu sein. Genauer gesagt wie unser Lebensraum, die Erdkugel, als konkrete messbare Größe in Beziehung gesetzt zum unendlichen Raum.

Im Mittelalter stellte man sich ein riesiges Himmelszelt als Dach über der Erde vor. Heute spricht man in der Physik von Himmelssphäre, praktisch eine gedachte große Kugel, welche die Erdkugel umgibt. Ähnlich der Einteilung unseres Planeten in Erdachse, Äquator, Längen- und Breitengrade, verwendet man für die Himmelssphäre ein vergleichbares Koordinatensystem, um die räumlichen Verhältnisse im Weltall zu beschreiben. Diese gedachte Himmelskugel umgibt dabei die Erde in unendlicher Entfernung.

Allein schon diese Konstellation – ein konkreter Raum (die Erde), umgeben von einem unvorstellbaren unendlichen Umraum (die Himmelssphäre) – liegt auch dem Grundkonzept von Ursula – Lisa Deventers Ausstellungskonzept zugrunde :

Hier ein begrenzter endlicher Raum (die Größe des Ausstellungsraumes) – und draußen in Sichtweite das Unbegrenzte, Unendliche als Begriff, von Menschen definiert, in eine Skulptur umgesetzt: INFINITUS, als Ausdruck für Unendlichkeit.

Diesen Gedanken, die Beziehung zwischen der realen Kugel Erde und der abstrakten Himmelssphäre, verfolgt die Künstlerin weiter.

Um auch dies dem Betrachter nahe zu bringen, müssen wir einen kleinen naturwissenschaftlichen Exkurs einfügen:

Die Erde dreht sich in einer elliptischen Umlaufbahn um die Sonne. Dabei steht die Erdachse jedoch nicht senkrecht auf der Ebene der Umlaufbahn, sondern in einem Winkel von 23,5 ° geneigt. Das hat zur Folge, daß an irgendeinem Ort der Erde die Sonne mittags nicht stets unter dem gleichen Winkel einstrahlt, sondern der Einstrahlwinkel sich im Laufe des Jahres ändert. Im Sommer erscheint die Sonne besonders hoch, im Winter relativ flach über dem Horizont.

Am 21. Juni (zur Sommerwende) steht sie im Bereich 23,5 ° nördlicher Breite

(dem nördlichen Wendekreis) mittags im Zenit, also genau senkrecht über einem Betrachter, während sie auf dem südlichen Wendekreis, – bei 23,5 ° südlicher Breite – zur Wintersonnenwende (am 21. Dezember) mittags exakt im Zenit steht. An diesem Tag erscheint die Sonne dagegen auf dem nördlichen Wendekreis am flachsten: Sie steht mittags 47 ° unterhalb des Zenits.

Diese 47 ° resultieren mathematisch aus dem 47 Breitengrad zwischen dem nördlichen und dem südlichen Wendekreis, dem Bereich der Erde, wo die Sonne im Verlauf des Jahres überhaupt im Zenit stehen kann, was wiederum eine indirekte Folge der oben erwähnten Erdachsneigung von 23,5° (2 x 23,5° = 47°) ist.

Die Künstlerin greift diese Zusammenhänge um die Gradzahl 47 auf, indem sie einen mit Holzkohle gelegten Vektor in eben diesen Winkel von 47° ausrichtet.

Im nächsten Raum treffen wir auf eine Bodenarbeit, bei der die Künstlerin diese Ideen weiterverarbeitet und auf noch andere Weise künstlerisch umsetzt. Von den 360°, die einen Kreis beschreiben, zieht sie die erwähnten 47° ab. Auch hier kommt die Beziehung zum Raum außerhalb des Raumes zum Ausdruck, denn die Zahl 313 ist von außen zu lesen.

Zu den Raumobjekten gehören, auch die eindrucksvollen, großformatigen geschichteten Ölbilder. Auch diese Tafelbilder zeigen einmal das Unbegrenzte und das Begrenzte, mit einer weißen Rahmung als Grenze. Früher arbeitete die Künstlerin Schrift oder Zeichen in ihre Bilder mit ein. Hier sehen wir nun eine spätere Entwicklungsphase: In ihren Tafelbildern ist die Farbe in ihrer Struktur, die durch den schichtweisen Auftrag zustande kommt, dominierend. Die in Schrift manifestierten Begriffe sind hier sozusagen aus den Bildern herausgetreten und stehen als Skulptur im Raum und greifen über diesen hinaus.

Läßt man sich ein auf diese anspruchsvolle Art, gedankliche Modelle in dieser klaren künstlerischen Umsetzung zu sehen, kann der Ausstellungsbesuch zur Erweiterung der individuellen „ Erkenntnissphäre “ führen.

Ulrike Hauser M.A., Münster